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Treibhausgaskompensation: Welche Kritik gibt es und was steckt hinter dem Vorwurf des Greenwashings?

Antwort von: LfU

Der folgende Beitrag widmet sich der Kritik am Kompensationsansatz. Es werden die derzeit laufenden Klagen zum Vorwurf des sogenannten „Greenwashings“ thematisiert und die in der Presse geäußerte Kritik Kompensationsmarkt, vor allem aber am Verified Carbon Standard (VCS) von VERRA angesprochen.

Mögliche Kritikpunkte bei speziellen Projektarten

  • Energieprojekte:
    Mittlerweile sind Großprojekte zur Nutzung von erneuerbaren Energien fast in allen Ländern der Erde die wirtschaftlichste Energieform, daher ist die Zusätzlichkeit in Zweifel zu ziehen. Auch die Zusatznutzen für die lokale Bevölkerung halten sich bei Großprojekten in Grenzen
  • Naturbasierte Lösungen:
    Auch in dieser Rubrik finden sich die derzeit umstrittenen Projekte zur „Vermiedenen Entwaldung“, zum Beispiel in Urwäldern, die starkem Rodungsdruck ausgesetzt werden. Sie werden auch als REDD-Projekte bezeichnet („Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation“) und postulieren in der Regel eine fortschreitende Rodung als Status Quo, welcher durch Inschutzstellung einzelner Waldstücke vermieden werden soll. Diese Prognose einer fortschreitenden Rodung im sogenannten „Baseline-Szenario“ ist umstritten, weil sie einer Vielzahl von Unsicherheiten unterliegt und die tatsächlich eingesparten Emissionen nur schwer quantifizierbar sind.

Derzeit laufende Klagen gegen Werbung mit Klimaneutralität

Derzeit laufen mehrere Klagen gegen Behauptungen von Firmen, welche bestimmte Produkte oder die gesamten Unternehmen als klimaneutral bezeichnen. Einige dieser Prozesse wurden bereits zu Ungunsten der Beklagten entschieden. Die Gerichte kamen dabei regelmäßig zu dem Schluss, dass die Behauptung der Klimaneutralität eine irreführende bzw. unlautere Werbung darstellte.
Die Kläger können dabei Wettbewerber sein, aber auch Umwelt- und Verbraucherschutzverbände.
Kern der Klageschriften ist in jedem Fall, dass sich die Beklagten des „Greenwashings“ schuldig machen würden.
Beispiele für von Klägern häufig vorgebrachte Vorwürfe sind:
  • Das Produkt bzw. das Unternehmen würde die eigenen Umweltauswirkungen und Treibhausgasemissionen nicht vollständig bilanzieren. Hierbei geht es regelmäßig um sogenannte indirekte Emissionen im sogenannten „Scope-3-Bereich“, wie sie beispielsweise durch die Entsorgung oder Beschaffung von Produkten anfallen.
  • Die Beklagten würden nicht deutlich kommunizieren, inwieweit bei einer Klimaneutralitätsbehauptung Emissionen auch tatsächlich vermieden oder (nur) kompensiert werden.
  • Es werden fehlende oder ungenügende eigene Reduktionsziele und -bemühungen beklagt, weshalb Klimaneutralität durch Vermeiden und Vermindern von Treibhausgasen aus eigener Kraft nicht möglich sei.
  • Ferner wird die Verwendung von, aus Sicht der Kläger, ungenügenden Kompensationszertifikaten beklagt. Dies können beispielsweise Zertifikate aus umstrittenen REDD-Projekten sein, aber auch sonstige Projekte mit geringen Qualitätsstandards.
  • Vor allem dann, wenn regionale Projekte für eine Klimaneutralitätsbehauptung herangezogen werden, wird seitens der Kläger auf das Problem der Doppelzählung mit den Klimaschutzzielen des Landes verwiesen.
Auch wenn die bisherigen Klagen nicht immer in allen diesen aufgeführten Punkten zum Erfolg führen, können sie Hinweise darauf geben, in welchen Bereichen eine transparente Kommunikation seitens der Firmen, welche Kompensation als Instrument verwenden wollen, besonders wichtig ist.

Allgemeine Kritik am Mechanismus der Kompensation

Viele Umweltverbände kritisieren den Kompensationsmarkt als Ganzes. Aus ihrer Sicht würden Fehlanreize gesetzt, wenn sich Firmen, Staaten und Privatleute nicht an die oft schwierigen Transformationsprozesse hin zu einer klimaneutralen Lebens- und Wirtschaftsweise wagen, sondern stattdessen der vermeintlich einfachere Weg von Kompensationszahlungen beschritten wird. Dies würde dann dazu führen, dass insgesamt weniger Klimaschutz umgesetzt werde und somit auch kein zusätzlicher Effekt für das Klima spürbar sei. Manchmal werden Kompensationsprojekte mit scharfen Worten als „Klimakolonialismus“ oder „Ablasshandel“ gescholten. Besonders kritisch werden klimaneutrale Produkte gesehen, die eindeutig nicht zu einer klimaneutralen Lebensweise passen, wie angeblich klimaneutrales Heizöl, Benzin der SUVs.
Auch die Verteilung der Gelder innerhalb von Kompensationsprojekten wird kritisiert. Für die Absicherung der Zusätzlichkeit und Integrität eines Zertifikats wird oftmals viel Geld für Prüfungen und Validierungen ausgegeben. Geld, das dann nicht im eigentlichen Projekt verwendet wird.

Kritik an „Phantom-Credits“

Die Akkreditierung sogenannter „Phantom-Credits“ ist eine weitere Kritik am Kompensationsmarkt. Dies sind CO2-Zertifikate, welche keine tatsächlich eingesparten Emissionen darstellen, sondern nur auf dem Papier validiert und dann verkauft werden.
Spielräume in Standards und Regelwerken ermöglichen inkorrekte Berechnungen von Baseline-Szenarien und prognostizierten Emissionsreduktionen. Damit können die Emissionsminderungen oder -einsparungen eines Kompensationsprojekts künstlich überschätzt werden. Dies kann vermehrt bei naturbasierten Projekten der Fall sein.
Die Einbringung solcher Zertifikate in den Kompensationsmarkt, kann den Klimabemühungen aller Beteiligten schaden und Greenwashing-Vorwürfe schaffen. Studien, die die Berechnung der Baseline-Szenarien und die tatsächliche Wirksamkeit ausgewählter Kompensationsprojekte untersuchen, finden Sie in der Linksammlung.

Weiterführende Informationen

Auf der IZU-Webseite finden Sie Fachwissen zur Erläuterung des Grundprinzips der Kompensation, zu Arten und Qualitätskriterien von Kompensationsprojekten sowie zu Kompensationsmärkten (Arten, Regelwerke und Register). Außerdem einen Vergleich zwischen regionalen und internationalen Kompensationsprojekten. Interessant ist auch ein FAQ zur Problematik der Doppelzählung.