Sekundärrohstoffwirtschaft

Angesichts steigender Rohstoffpreise und beschränkter Ressourcenverfügbarkeit werden alternative Bezugsquellen für Rohstoffe zunehmend interessanter. Dazu gehört auch der verstärkte Einsatz von Sekundärrohstoffen. Sekundärrohstoffe sind aus Industrie- und Haushaltsabfällen abgetrennte und teilweise aufkonzentrierte Werkstofffraktionen, die in einem anschließenden Prozess zu Grund- und Werkstoffen weiterverarbeitet werden. Sie sollten Primärrohstoffe ersetzen, soweit es ihre Qualität erlaubt. Bei einigen Produkten wird hierbei auch der Begriff Recyclate verwendet.
Die effiziente Rückführung von Sekundärrohstoffen in den Markt ist von einigen Faktoren abhängig:
- Substitution primärer Rohstoffe: Um primäre Rohstoffe durch Sekundärrohstoffe zu ersetzen, muss die Qualität der hergestellten Grund- und Werkstoffe gleichwertig zu den Primärrohstoffen sein. Mit einheitlicher Qualität können die Substitute in einen vorhandenen Verarbeitungsprozess von Primärrohstoffen eingeschleust werden, zum Beispiel in der Stahlherstellung und Kupferverarbeitung. Die Hersteller können hier gezielt den Einsatz von Sekundärrohstoffen fördern.
- Kosteneinsparung: Durch die Rückgewinnung von Sekundärrohstoffen aus Abfällen und deren erneuter Einsatz können erheblich Kosten im Unternehmen eingespart werden. Metallschrotte zum Beispiel (Stahl-, Kupfer-, Edelmetallschrotte u.a.) oder auch Altpapier erzielen auf dem Markt teilweise hohe Preise. Andere Abfallarten wiederum können hohe Verarbeitungskosten hervorrufen. Diese Kosten variieren je nach weiterer Behandlung beziehungsweise Aufbereitung. Für den Abfallerzeuger können so Kostenvorteile oder Entsorgungskosten entstehen und sollten mit kalkuliert werden.
- Hohe Flexibilität und Anpassbarkeit: Abfallströme können in ihrer Zusammensetzung und im Mengenfluss sehr variabel sein. Die zeitabhängige Dynamik zeigt sich bei der Unterscheidung zwischen langlebigen und kurzlebigen Gütern. Kurzlebige Güter wie Verpackungen werden bereits nach kurzer Zeit einer Rückgewinnung oder Entsorgung zugeführt. Langlebige Güter wie Autos, Elektrogeräte oder Gebäude bilden große Materiallager, deren Rückgewinnung schwer zu kalkulieren ist. Dies bedeutet, dass auch die Verfügbarkeit von Sekundärrohstoffen für die weitere Verarbeitung oder Verwendung mitunter nicht abschließend planbar ist. Deshalb müssen Recyclingprozesse und Anlagen möglichst flexibel auf den Zulauf an unterschiedlichen Abfällen und deren Verarbeitung ausgelegt werden. Bestimmte Sekundärrohstoffe können im Gegensatz zu den Primärrohstoffen immer wieder gewonnen werden, so dass diese Ressourcen im Kreislauf erhalten bleiben.
- Optimale Dimensionierung und Lokalisierung: Abfälle fallen regional stark verteilt an. Durch die regional unterschiedliche Verfügbarkeit von Sekundärrohstoffen können zusätzliche Kosten durch eine Zusammenführung anfallen. Aus vielen Abfällen können weiterhin mehrere Sekundärrohstoffe für unterschiedliche Abnehmer gewonnen werden. Es gilt die Logistik darauf auszurichten.
- Geeignete Märkte: Für den Einsatz von Sekundärrohstoffen oder daraus weiterverarbeiteten Produkten gilt es geeignete Absatzmöglichkeiten zu finden. Die Qualitätsanforderungen und die Prozessstabilität müssen gegen Schwankungen in Zusammensetzung und Liefermengen angepasst sein, eine maximale Nutzung der Materialeigenschaften des Sekundärrohstoffs muss ermöglicht werden und die Aufnahmekapazität des Marktes dem Angebot entsprechen.
Quelle: Martens, H., Goldmann, D. (2016): Recyclingtechnik. Fachbuch für Lehre und Praxis, 2. Auflage, Springer Berlin, ISBN: 978-3-658-02785-8.
Die ökonomische Bedeutung der Sekundärrohstoffe ergibt sich vor allem durch eine Kostenersparnis im Vergleich zur entsprechenden ausschließlich auf Primärmaterialien basierenden Produktion. Für die rohstoffverarbeitende Industrie hat die Nutzung von Sekundärrohstoffen bei steigenden Rohstoffpreisen ein zum Teil erhebliches Einsparpotenzial für Primärrohstoffe. Für die Entsorgungswirtschaft entstehen Chancen auf eine Erweiterung ihres Geschäftsfelds. Gesamtwirtschaftlich entspricht der verstärkte Einsatz von Sekundärrohstoffen einer Substitution von Importen an Primärrohstoffen durch eine zusätzliche Wertschöpfung im Inland. Zudem wird die Versorgung mit Rohstoffen auf eine breitere Basis gestellt, was für die Versorgungssicherheit von Bedeutung ist.
Der Gebrauch von Sekundärrohstoffen schont nicht nur Rohstoffe und Ressourcen, sondern auch die Umwelt. Zum einen sind die Umwelteinwirkungen für die Gewinnung von Primärrohstoffen teilweise erheblich. Hier spielen neben dem anfallenden Abraum und Abwasser auch der Flächen- und Energieverbrauch eine wesentliche Rolle. Beispiele hierfür sind der Abbau von Erzen wie Kupfer, Eisen, Coltan oder Tantal. Zum anderen werden durch die Verwendung von Sekundärrohstoffen Abfälle vermieden und meist Energie zur Rohstoffverarbeitung eingespart.
Im Jahr 2014 waren nur 14 % aller durch die Industrie eingesetzten Rohstoffe in Deutschland Sekundärrohstoffe. An dieser Stelle liegt noch ein enormes Potential zur Steigerung vor, bei dem eine intensivere Kooperation zwischen Produzenten und Recyclern erforderlich ist.
Beispiele aus der Sekundärrohstoffwirtschaft:
Beispiel 1: Altpapier und Altglas
In der Papier- und Glasproduktion werden zu einem großen Anteil Altmaterialien aus Industrie- und Haushalten wiederverwendet. Im Jahr 1990 setze die Papierindustrie rund 49 % Altpapier in der Produktion ein, im Jahr 2017 schon 75 %. Altglas kann beliebig oft eingeschmolzen und zu neuem Glas weiterverarbeitet werden. Die Herausforderungen dabei sind unter anderem die getrennte Entsorgung von Papier und Glas durch die Verbraucher, Verunreinigungen der Stoffe durch Klebereste oder Farben, aber auch die Akzeptanz von Recyclingpapier.
Beispiel 2: Kunststoffe
Der überwiegende Anteil der Kunststoffabfälle sind Produktabfälle aus dem Gewerbe und vom Endverbraucher. Davon ist wiederum der größte Teil Verpackungsmaterial. Die energetische Verwertung überwiegt bei den Kunststoffabfällen und sortenreine Kunststoffe werden nur zu einem kleinen Anteil als Sekundärrohstoffe angeboten. Hier liegt gerade im gewerblichen Bereich ein enormes Potential zur Aufbereitung und Wiederverwendung von Altkunststoffen.
Beispiel 3: Recycling-Baustoffe
Werden mineralische Bau- und Abbruchabfälle zum erneuten Einsatz im Hoch- und Tiefbau aufbereitet, spricht man von Baustoff-Recycling. Recycling-Baustoffe – kurz RC-Baustoffe – sind aufbereitete mineralische Bau- und Abbruchabfälle, die als Sekundärbaustoffe erneut Einsatz im Hoch- und Tiefbau finden. Die Einsatzgebiete der RC-Baustoffe sind sehr vielfältig und reichen vom Hoch- und Tiefbau über die Bauteil- und Bauprodukteherstellung bis hin zum Erd- und Deponiebau. Auch hier gilt es, die Akzeptanz und den Einsatz dieser Sekundärrohstoffe weiter zu steigern.
Ein enormes Potential an Sekundärrohstoffen verbirgt sich in den langlebigen Gütern wie Infrastrukturen, Gebäuden oder Konsumgütern. Mithilfe des sogenannten Urban Minings wird eine integrale Bewirtschaftung des anthropogenen Lagers verfolgt mit dem Ziel, die Sekundärrohstoffe aus den Ablagerungen und langlebigen Gütern zurückzugewinnen. Urban Mining ergänzt die Abfallwirtschaft, in dem es als strategischer Ansatz des Stoffstrommanagements früh künftige Stoffströme prognostiziert und bestmögliche Verwertungswege ableitet.